Ich war vor einiger Zeit in Kambodscha‘s Poipet, ein Kaff an der Grenze zu Thailand, das hauptsächlich aus ein paar Kasinos besteht. Geschlagene vier Tage habe ich zwischen Slotmachine-Junkies und Grenzkulis verbracht, die total überladene Handkarren von einem Land ins andere schubsen. Warum jemand kistenweise Mangos von Thailand über die Grenze nach Kambodscha bringt, wird mir ewig verschlossen bleiben. Angesichts der endlosen Transporte der Kartons, glaubt nach zwei Stunden kaum ein Beobachter mehr, das da wirklich nur grüne Mangos in der Ladung sind.
Der Ort ist das Epizentrum der Langeweile. Man kann hier als Nicht-Spielsüchtiger so gut wie gar nichts unternehmen und so saßen mein Kumpel Chris und ich nahezu den ganzen Tag bei ohrenbetäubender Khmer-Vollklore aus dem Fernseher vor einer Bretterbude und haben thailändisches Leo Bier getrunken, das hier nur die Hälfte kostet. Die Warterei auf unsere Visa, entwickelte sich zu einer Form von Selbstmumifizierung und war in etwa so unterhaltsam wie Farbe beim Trocknen zuzusehen.
Nach etwa vier Stunden des Betrachtens der Busladungen schwitzender Rucksacktouristen mit Sibirien-Teint, fünfjährigen Mädchen, die sorglos zwischen den Touristenbussen auf die Straße kacken und dabei die Hand ihres sechsjährigen Bruders halten, der seinen Rüssel in eine Plastiktüte mit Teppichkleber hält und Käfig-Lastwagen der Grenzpolizei mit lokalen „Republik Flüchtigen“ ohne gültige Papiere, erscheint einem ein rotierender Teller in der Microwelle mindestens so unterhaltsam wie das Endspiel einer Fussball WM.
Hätte Chris nicht die aus reiner Verzweiflung geborene Idee gehabt, am Abend in ein ihm bekanntes Restaurant zu gehen, könnte ich meine Poipet Erfahrung getrost vergessen. Selbst ein an Hardcore Obskuritäten gewohnter Reisender erlebt hier im Malubrussei Restaurant eine absolute Sternstunde.
Das geht schon mit dem Studieren der Menükarte los. Das Restaurant tat sich nicht zuletzt damit hervor, dass ich hoffte, mich hier nie nach einer Mahlzeit übergeben zu müssen. Ein Bekannter von mir sagte einmal: „Ich esse nie Sushi. Ich habe Probleme, Sachen zu essen, die gerade so eben bewusstlos sind.” Der würde nach einem Blick auf die Speisekarte dieses Restaurants wahrscheinlich für eine Woche jegliche feste Nahrung verweigern. Der Laden ist das Mekka für Futtermasochisten!
Hier kommen selbst westliche Touristen, die schon einmal mutig Thailands Insekten-Auswahl genossen haben an ihre Grenzen. Im Angebot des „Gourmettempels“ findet man kulinarische Höhepunkte wie:
Gegrillte Kuh-Euter
Gedünstetes Rinderhirn mit Pfeffer
Gegrillte Frösche
Gegrillte kleine Innereien
Gedünstete große Innereien
Gedünstete Bauchspeicheldrüse (von welcher Lebensform war nicht in Erfahrung zu bringen)
Gegrillte Hoden (angekündigt als „special food“)
…und die ultimative Empfehlung des Küchenchefs:
Gedünstetes Rinder-Embrio im Uterus!!!
Ich habe Chris am nächsten Tag stundenlang angebettelt noch einmal mit mir in den Laden zu gehen und Carolines Ungeborenes im Reisrand zu bestellen, damit ich ein paar authentische Fotos machen könnte. Vergeblich,- er meinte die lokale Köstlichkeit zu bestellen und sie dann doch nicht zu essen wäre ein Affront gegenüber dem Personal. Er sagte noch das ist etwa so, als würde man im Sushi Restaurant “Bukakke” als Dessert bestellen.
Aber so weit, mir die Spezialität aus der Veterinär-Abtreibungsklinik selbst auf der Zunge zergehen zu lassen, geht mein journalistischer Recherchehunger dann doch nicht. Irgendwie hört es bei mir mit Pony Lasagne auf.
Vielleicht sollte ich bei meinem nächsten Besuch anstatt eines Amerikaners lieber einen Schweden mitnehmen. Wie heißt es so treffend im Ikea-Land? „Entdecke die Möglichkeiten.“