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Mor Lam Musik – Die Hölle des Dirigenten!

Posted in Asien, Kultur & Moral, Thailand with tags , , , , , , , , , on Juni 9, 2011 by Al

Hier gibt’s richtig Haue auf die Ohr’n!

 Ich hab’ nicht allzu viele Macken, doch eine pflege ich seit vielen Jahren: Ich sammle T-Shirts. Eines davon gehört in die Kategorie: so etwas trägt man für immer! Meine Nr. 1 war ein Shirt vom Banjo-Hersteller Stelling, das ich vor Jahren in Amerika von den Mitgliedern meiner Band zum- wie immer 21ten- Geburtstag bekam. Darauf waren Hunderte Banjo Spieler abgebildet, die vor dem Dirigenten im Orchestergraben saβen- Überschrift: Condutor’s Hell! Ein Motiv, das den ultimativen Alptraum eines jeden studierten Musikers darstellt. Leider muβte ich feststellen, daβ meine Lebenserwartung die des Hemdchens übertrifft.

 Jahrelang dachte ich selbst, einen schlimmeren akustischen Super Gau kann es für im Konservatorium, oder im Studio geschulte Gehörgänge nicht geben. Tja, aber das war eben lange bevor ich nach Asien kam.

 Kaum ein Kreuzfahrten-Dampfer kommt ohne einen griechischen Kapitän, oder Navigatoren aus und keiner der Mumienschlepper sticht ohne philippinische Top 40 Band in See. Da wundert’s einen schon, daβ es bisher keinen Tagalog-Sirtaki in den Charts gab. Die Jungs und Mädels von den 17.000 Inseln kopieren die Songs so exakt, daβ sie sogar die Kratzer auf der Schallplatte mitspielen. Aber was soll’s, die spielen schlieβlich für Leute, die ohnehin schon am Woodstock gehen. Fragt man sie jedoch bei einer spontanen backstage Session einen simplen Blues zu begleiten, kann keiner der Schmalspur-Claptons bis zwölf zählen, was unter „richtigen“ Musikern einem Blues tatsächlich beim Akkordwechsel erst den Kick gibt.

Gamelan- Einfach nur Gestank in den Ohren

 Das Gröbste, was ich je an akustischer Belästigung erlebt habe, war ein vierstündiges Dinner auf Einladung des indonesichen Tourismusministeriums auf Bali. Die lokale Gamelan-Kapelle erzeugte Geräusche, daβ einem die Spermien flockig wurden. Ich habe vergeblich versucht, in dem Wirrwar ausTsching, Zwong, Bäng, eine Melodie oder Rhythmus zu erkennen. Alle 20 Minuten muβ man sich förmlich die Ohren ausgieβen. Dagegen klingt das Quitschen auf der Kreidetafel wie ein Ohrwurm und jeder Hörsturz erscheint wie eine Wohlfühlmassage mit happy melody ending!

 Während man als Westerner Taiwan Tittenrock, japanischen Trümmerfrauen Punk und Korea-pussy pop-rock, noch als Musikfragmente erkennen kann, hört der Spaβ bei Thai-LaLa eindeutig auf! Die lokalen Fernseh-Channels liefern tagsüber 12 und nachts 22 Programme, die nichts anderes als Hoteltoilettenmusik Videos abspielen. Kein Europäer kann mir glaubhaft versichern, daβ er auch nur drei der Herz-Schmerz Nummern auseinanderhalten kann. Das ist ein einziger musikalischer Zimmerspringbrunnen, oder wie ein Kumpel es nannte: Reisbauerntechno á la Marianne & Michael. Aber so ist das eben in Ländern, wo jeder Depp mit 2,4 Promille meint, er müβte den Rest der Welt mit seiner Version von „I diditmayway“ in Karaoke Clubs erschrecken, und die Musik im Blut erstarren lassen.

 Genug gelästert. Kommen wir zum lehrreichen Teil, als eine Art audioemotionales Wiki:

 Da die klassische thailändischen Musik (!?) in sieben gleich groβe Tonschritte unterteilt wird, würde ein europäischer Bassist bei jeder Jamsession nach einigen Takten die Kabel zerbeiβen! Um das Ganze nicht trivial erscheinen zu lassen, gibt es auch keine Notation! (Alte Muckerweisheit: wer vom Blatt spielt- kann nix und fällt nur den Kollegen in den Rücken!) Wenigstens in der Musik leisten sich die Thais ein gewisses Maβ an Individualität. Hier wird die Beschallung nach Motiven aufgebaut, die sich je nach Laune und Anzahl der gerauchten Opiumpfeifchen des Komponisten wiederholen. Das Ganze nennt sich Pi Phat, war ursprünglich als Orchestermusik für Theaterstücke gedacht und das alles übertönende Instrument ist eine Flöte, die etwas an die Panflöte erinnert, aber im Klang eher dem Radau der schottischen Eutertröten ähnelt. Naja und Gongs und Kesseltrommeln geben jedem dieser Bananenmusik-Orchester den universellen Sound, auch ohne schmissige Melodien. Einzige Steigerung- wenn der kastrierte Peking Opa auf der Bühne der Peking-Oper kräht.

 So etwas in Bayreuth und Deutschlands Wirtschaftsbosse gehen kollektiv mit Mittelohrvergiftung vom Platz!

Mor Lam. Schiessen Sie nicht auf den Pianisten! BITTE nehmen Sie den mit der Tröte ins Visier

 Nach 1932 wurde thailändische Musik vermehrt mit westlichen Instrumenten gespielt, was aber nachweislich keine unterstützende Maβnahme war, oder ist. Bei den neuzeitlichen Nummern ist in erster Linie Basstubieren bis zum  Orbassmus angesagt! Die Dauerberieselung in Radio und Fernsehen erzeugt lediglich massive Liederschmerzen, sorgt jedoch immerhin für kontinuierlichen Schaum auf der Molle und unterwegs für Beulen im Autodach.

Rentner-Remmidemmi auf Channel 5. Klingt wie Hafenrundfahrt!

 Wer sich aber einmal richtig die akustische Kante geben will, sollte unbedingt beim nächsten Thailandurlaub auf dem Fernseher Kanal 5 einstellen. Da gibt es nach Mitternacht das kulturelle Erbe der laotisch stämmigen Bevölkerung, mit der typischen Mor-Lam-Musik (übersetzt: Experten Musik!). Unter den Hauptakteuren ist keiner unter 75! Was da wohl auf der Casting Couch des Senders abgeht? Andererseits kann Dieter Bohlen auf eine Karriere nach DSDS hoffen. Das Ganze ist also der absolute Gegenpol zu Zahnspangenkommerz-Mucke á la Justin Bieber. Ich hatte erst kürzlich den Sender entdeckt und konnte nach vielen Jahren als Berufsmusiker einfach nicht mehr weiterzappen. Ich habe 90 Minuten lang Tränen gelacht und inständig gehofft, daß sich unter den Interpreten der Seniorendeponie niemand in seiner Ekstase verletzt. Ich wünschte mir inständig, daβ alle meine ehemaligen Musikerkollegen das mit mir teilen könnten.

Muttchen muckt auf

 Auf der Bühne eine Seniorin, in einem Gewand das wie ein gehäkelter Toilettenrollenüberzug aussah, die nicht einen einzigen Ton ihres Songs treffen konnte. Daneben ein auf jugendlicher Liebhaber getrimmter Rentner mit Deo Roller Frisur, der sich im Polka-Propeller Tanzstil übte. Begleitet wurde das Geronto-Duo von einem 15-köpfigen Prozac-Orchester, dessen Bläser nur eines auf dem Notenblatt abzulesen schienen: Thema- Hafenrundfahrt! Das Gehupe und Getröte war eine einzige Trommelfellpeitsche. Das ist Guantanamo fur die Stereozilien! So hätte es geklungen, wenn Roy Black und Brigitte Mira, zur Begleitung des Spike Jones Orchesters Trance in Weiβ zum Besten gäben.

 Das letzte Mal, daß ich einen ähnlichen Ohrenherpes verspürte, war beim Einlaufen des Schulschiffs Deutschland im Hafen von Acapulco, zu dem eine mexikanische Militärkapelle die deutsche Nationalhymne spielte- aber unüberhörbar rückwärts!

 Keine Frage, das nächste Mal schalte ich wieder ein. Warum? Ich will einfach wissen, ob die Regisseure der Sendung soweit gehen, daβ sie zur Steigerung der Einschaltquoten Stage-Diving ohne Publikum der thailändischen Spastelruther Katzen,  anbieten…

Apropos Roy Black, Micky Wolf und ich haben ihn übrigens kürzlich gesehen. Wer’s nicht glaubt schaut besser hier rein:

http://www.youtube.com/watch?v=2rUEI3EXS_I&feature=related

Vielen Dank auch!